München, den 04.05.2021
Auch diese Woche nahm die Anzahl anwesender Schü-ler bei unserem allmorgendlichen Waldorf-Stuhlkreis – Verzeihung, ich meinte natürlich Morgentraining – verlässlich und konstant ab (ja, es kann durchaus auch Überwindung kosten, jeden einzelnen Morgen «pünktlich und diszipliniert» zu sein – wobei die meisten meiner verehrten Kolleginnen und Kollegen ein seriöses Alibi für ihre Abwesenheit vorzubringen hatten). Und auch ich muss gestehen, dass hier und da ein Zahnarzttermin meinen Theaterplänen einen Strich durch die Rechnung machen sollte.
Selbstredend aber blieb das qualitative Niveau unserer Arbeit konstant überragend.
Und während wir nun noch den Tag der Arbeit und das dazugehörige Wochenende zu Hause bei Netflix und Kuchen genießen durften (was sonst sollte man bei die-sem unterirdischen Wetter machen), wobei wir selbst-verständlich auch Texte lernten etc. (wirklich ganz, ganz sicher!), ist es immer noch ein Mysterium, ob wir über-haupt aufführen werden.
Das Besondere am Theater ist ja eben die Nähe zum Publikum in Echtzeit, welche dieses in das ihm dargebo-tene Schauspiel tiefgründig eintauchen lässt, sodass ihm eine jede Theateraufführung als ein einmaliges Er-lebnis in Erinnerung bleibt.
Insofern allerdings uns, aber vor allem Ihnen, sehr ver-ehrte Damen und Herren, dieses einmalige Erlebnis verwehrt sein wird (durch diese gewisse globale Pan-demie, von der alle immer sprechen), sollen Sie nicht besorgt sein, denn wir haben bereits eine professionelle Verfilmung im Visier.
Falls Sie, sehr geehrte Leserschaft, nun gedacht hätten, diese Tatsache würde unsere Arbeitseinstellung beein-flussen, muss ich Sie leider davon in Kenntnis setzten, wie ehrgeizig meine Klasse ist (Probs geh’n raus an dieser Stelle).
Denn so langsam aber sicher gewinnt dieses Projekt an Form und Vision, es wird sich kreativ ausgelebt in der Plakat- und Kostümgruppe (oder aber in den allwöchent-lichen Deutschhausaufgaben mit Abgabetermin Freitag, 20 Uhr) und nächste Woche schon wird sich einiges tun, also bleiben Sie gespannt!
(An dieser Stelle soll gesagt sein, dass Ihre Berichter-statterin, die diese Texte verfasst, sich in einem tempo-rären kreativen Tief befindet, wodurch diese Woche das Geschriebene weniger umfassend ist…).
Ella-Fé Nowak für die 12. Klasse
München, den 27.04.2021
Vieles ist diese Woche passiert und ich kann Ihnen keineswegs das alles erzählen, weil doch nur eine gewisse Länge dieses Berichts „leserfreundlich“ ist und zudem einige meiner Kollegen (so glaube ich zumindest) es mir übelnehmen würden, Bedeutendes zu spoilern und damit den Überraschungseffekt zu nehmen.
Nur so viel steht fest – und zwar gut gesichert und im Boden verankert: das Bühnenbild (offensichtlich haben wir dieses – surprise – der Bühnenbildcrew zu verdanken)!
Ganz Butter bei die Fische ging es auch mit dem Schauspiel voran und es wurden erste Szenen inszeniert – ganz gleich ob mit oder ohne Skript.
Damit meine ich natürlich nicht, dass alle Darsteller gleichzeitig auf der Bühne zusammengewürfelt und unvorbereitet irgendwelche Sätze vor sich hin murmelten und dabei wild mit Jazzhands sich im Kreis bewegten (wobei das sicher amüsant gewesen wäre). Nein, wir improvisierten kleinere Szenen, geordnet und im bereits bekannten Stuhlkreis (nur diesmal ohne Stühle und im Halbkreis).
Anfangs schien es ganz unmöglich, sich aus dem Nichts und ohne vorherige Absprache mit dem Partner vor allen anderen eine Beziehung zweier Menschen mit passendem Konflikt herbeizuzaubern, immerhin sind wir ja nicht Houdini. Nach und nach jedoch entspannten sich alle ein wenig und es bildete sich ein schöner Raum der Kreativität um die Gruppe herum, der einem die Möglichkeiten des Schauspiels und der Improvisation eröffnete.
Doch seien Sie unbesorgt, liebe Leser und Leserinnen, sie werden natürlich immer noch «Jugend ohne Gott» und nicht «Meine zehn kleinen schönsten Impros» auf der Bühne zu sehen bekommen…
Diese Improvisationsübungen gaben vor allem denjenigen Halt, die in dieser Woche ihre Szene das erste Mal auf der Bühne performten.
Dies kann für viele ein überaus einschüchternder Moment sein, umso wichtiger ist es also, die Bühne nicht zu idealisieren – denn sie ist und bleibt: Holz mit Nägeln.
Wenn die anfängliche Beklommenheit erst einmal verflogen ist, wird das Schauspiel auf der Bühne ein sehr schönes Erlebnis. Und so ist die kurze tägliche Probenzeit auch schon zu Ende, bevor sie richtig beginnen konnte.
Ella-Fé Nowak für die 12. Klasse
München, den 20.04.2021
Eine gottlose Jugend soll es ja schon immer gegeben haben, die diesjährige Generation der gottlosen 12.-Klass-Schüler wird Ihnen das Stück „Jugend ohne Gott“ auf der Bühne präsentieren.
Entgegen seinem Titel steht die Frage der Moral im Vordergrund des Stückes, das auf dem gleichnamigen, 1937 erschienen Roman des österreichisch-ungarischen Autors Ödön von Horváth beruht. Denn ein kleiner anfänglicher Fehltritt löst einen Dominoeffekt von Katastrophen aus, die in einer, man möchte fast sagen, Tragödie enden, deren Nachwirkungen eine Figur bis auf einen anderen Kontinent verfolgen. Dies mag für Sie nun alles etwas verwirrend klingen. Fakt ist: Das Stück fordert heraus – den Schauspieler zum Nachvollziehen, den Adressaten (und damit meine ich Sie, meine Damen und Herren) zum Hinterfragen und Erkennen gefährlicher und verhängnisvoller Handlungsspiralen, kurzum, Sie werden sich mit der Frage nach Moral konfrontiert sehen.
Wie so oft gibt es auch hier ein Happy End, doch inwieweit man dies eines nennen kann, wird Ihnen überlassen sein…
Die Arbeit an einem Theaterstück beginnt, wie so oft, mit dem Lesen und Verstehen des Skripts, einmal jeder für sich, dann aber im Kollektiv im Stuhlkreis (wie es sich für Waldorfschüler auch gehört!).
Hier werden nun direkt auch Schauspielkunst und das Überspielen von Nervosität mit einer legeren Haltung von Vielen auf die Probe gestellt (wo doch so mancher seinen Text noch nicht ganz auswendig kann). Jedoch wollen wir es nicht übertreiben, denn es weiß doch niemand, wieweit uns Corona dieses Mal einen Strich durch die Rechnung macht.
Eines steht jedoch fest: Eine jede Form schriftlichen Pergaments bietet viel Raum für philosophische Interpretationen – ach, hätte der Tag doch nicht nur vierundzwanzig Stunden…
Die große Kunst des Schauspiels besteht darin, in einer Rangelei übermannt zu werden, ohne direkt mit drei gebrochenen Rippen und einer gerissenen Milz auf der Intensivstation einer Klinik zu landen. Zum Glück lernen wir also, wie das geht, unter professioneller Anleitung und mit Aufwärmtraining. Und auch hier bleiben einem die peinlichen Momente nicht erspart (doch müssen, so glaube ich, alle etwas in sich hinein schmunzeln, wenn beim Hüftkreisen die Darsteller wie kleine Götterspeise-Männchen aussehen).
Theoretisch soll das geplante, ausbalancierte und beabsichtigte Hinfallen nicht wehtun und vor allem mühelos aussehen; theoretisch…
Ein kurzes Wort zur Rolle:
Auf der Bühne eine andere Person zu verkörpern, besteht nicht nur darin, seinen Text brav aufzusagen und die richtige Mimik zu beherrschen, nein, der Schlüssel zum Erfolg liegt im Verständnis. Verständnis von sich selbst, klar, aber auch den Charakter verstehen, den man verkörpert, ist wichtig. Wieso handelt „mein“ Bösewicht so?
Mit einher geht ein gewisses Empathiegefühl für den Charakter. Denn in der Realität imitieren wir auch nur Personen, an denen wir wenigstens etwas mögen, so lässt sich auch im Protagonisten ganz bestimmt (zumindest nach vielem, vielem Suchen) eine Eigenschaft finden, die uns sympathisch erscheint.
Ella-Fe Nowak für die 12. Klasse